Die unterschätzte Bedeutung der Drehknöpfe
Wie gerne hätte ich mir bei Aldi diesen praktischen Dimmer zum Zwischenstecken gekauft. Aber laut Aufschrift ist er nur für Geräte mit Drehknopf geeignet. Keines meiner Geräte hat einen. Mist.
Wie gerne hätte ich mir bei Aldi diesen praktischen Dimmer zum Zwischenstecken gekauft. Aber laut Aufschrift ist er nur für Geräte mit Drehknopf geeignet. Keines meiner Geräte hat einen. Mist.
Eben bin ich beim Weg in ein Parkhaus mal wieder mit den aktuellen Auswüchsen der modernen Zivilisation konfrontiert worden. Vor mir eines dieser Blechmonster, die sich gerade anschicken, die Innenstädte zu verstopfen und sehr euphemistisch als "SUV" bezeichnet werden, was englisch für "Sportkramtransporter" ist. Allein in die Herstellung der Heckklappe dieses unförmigen Blechgeschwürs auf Riesenwalzen, das dem Alptraum eines Sandkastenfahrzeugdesigners entstiegen zu sein scheint, wurde mehr Blech, Zeit und Energie investiert als in meinen ganzen Kleinwagen.
"Yadayada", sagt jetzt der SUV-Freund, "da spricht doch wieder nur der Neid! Ich hab halt einfach den größeren!" Falsch. Sicher wäre es mir möglich, ebenfalls eines der modischen Blechgebirge durch die Gegend zu schaukeln (selbst Dacia hat eins im Programm) und ganz sicher ist das auch ein ganz tolles Gefühl, King of the Road undsoweiter...
Aber ich tue mir das nicht an, weil ich mitten in der Stadt wohne. In einer Straße, die nicht nur eng und verkehrsberuhigt bis zur fast völligen Sedierung ist, sondern der es auch (besonders während des Semesters der hiesigen Unis) eklatant an Parkraum mangelt. Und da klemme ich meinen kleinen Koreaner nonchalant noch in Lücken, die dem Kapitän der MS Monster nun mal rein physikalisch verschlossen bleiben. Er mag nicht so groß sein, dafür flutscht er überall rein. Ätsch.
Ja, ich weiß, diese albernen Zweideutigkeiten sind blöd, nervig und bewegen sich auf Stammhirnniveau. Aber hinter der SUV-Mode steckt nichts anderes als genau das: Herzlich willkommen in der menschlichen Frühzeit. Hoho - große Keule, großer Jäger!
Und was noch schwerer wiegt (was für ein geiler Satz im Zusammenhang mit SUVs!) ist die Tatsache, daß die Monsterautos aus dem Fahrer scheinbar auch ein Monster machen. Anders kann ich mir Aktionen wie gestern nachmittag nicht erklären, als eine hübsche, junge Dame versucht hat, mich zu töten, nur weil ich nicht auf einer Schnellstraße mit dichtem Verkehr und 100er Tempolimit ihr und ihrer rasenden Blechwucherung zuliebe sämtliche Verkehrsregeln gebrochen habe und vor ihr mit 140 Sachen über die linke Spur gekachelt bin. Kurz vor dem beampelten Ende der Straße tat sich rechts eine Lücke auf, in die sie, Gift und Galle speiend, ihr Schlachtschiff hineinwogen ließ, um mich rechts zu überholen (und 200m weiter vor der roten Ampel zu stehen).
Umgekehrt der Brötchenpanzerkommandant vor mir bei der Parkhauseinfahrt. Der leidet an der Monster-macht-Maus-aus-mir-Krankheit.
Da hängt eine rot-weiß-gestreifte Meßlatte, die die garantierte Höhe von 2m, die im Parkhaus herrscht, auch Leuten aufzeigen soll, die mit Maßen und Dimensionen nicht so eng befreundet sind. Die Mercedes M(onster)-Klasse vor mir unterbietet diesen Wert um gute 20 cm (laut Datenblatt ist sie 1,796 m hoch), also keine Gefahr. Der Konteradmiral (oder welchen Rang hat ein Dickschiffkommandant?) vor mir latscht also mal voll in die Eisen, weil er diesen ganzen rumänischen Wirtschaftsflüchtlingen, die für gewöhnlich deutsche Parkhäuser herstellen, nicht unbedingt traut. Oder weil er mit dem Blechkoloss einfach kolossal überfordert ist. Nun beginnt ein langer Leidensweg bis zum freien Parkplatz, denn das Parkhaus wartet mit allerlei Finessen in Form von Durchfahrten und auf- und absteigenden Rampen auf, die ganz offensichtlich immer neue Angstschweißattacken bei meinem Vorausfahrer hervorrufen (unnötigerweise, da ist immer noch fast ein halber Meter Luft). Wahrscheinlich bietet Mercedes extra einen Sitz mit Drainage und Warmlufttrockner für diese Fahrzeuge an. Das Beste oder nichts halt.
Also mal unter uns: Die Dinosaurier haben ja evolutionstechnisch nicht so gut funktioniert. Bißchen arg groß, viel Energieverbrauch, extrem wenig Hirn. Da sind sie wieder, nur eben jetzt aus Blech, Kunststoff und vor allem jede Menge Ego bestehend. Und irgendwie auf eine beängstigende Weise passend zur heutigen Menschheit, die vernünftig sein könnte und vor allem müsste, es aber vorzieht, sich wie eine Horde vollkommen bekloppter Irrer zu verhalten. Und deswegen sind im Zeitalter von Erderwärmung und begrenzter Ölressourcen statt leichter, intelligenter, effizienter und sparsamer Fahrzeuge mit alternativen Antriebskonzepten eben riesige tonnenschwere Designtotalausfälle angesagt, die aufgrund ihrer schrankwandartigen Ausmaße gewaltige Motoren benötigen, die unglaubliche Mengen des immer kostbarer werdenden Treibstoffes in klimaschädliche Stoffe verwandeln (ich rede jetzt nicht von den Prüfstandswerten) und auf Behindertenparkplätzen parken, weil sie in normale Parkplätze nicht reinpassen. Oder sich so dämlich reinstellen, daß sie zwei verbrauchen.
Egal wie man es sieht, die Dinger mögen modisch sein und den Ego-Wunschtraum ihrer Fahrer verkörpern - für mich sind sie ein einziger, gewaltiger Irrtum, dessen einzige postive Eigenschaft ist, daß er den derzeitigen mentalen Zustand der Menschheit perfekt wiederspiegelt. Mal sehen, wann Augenwulstimplantate in Mode geraten...
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Endlich bin ich dazu gekommen, das alte Mädchen aus seinem verlängerten Winterschlaf in der Tiefgarage zu befreien. Unsere Beziehung dauert nun schon seit 12 Jahren an und sie hatte vor allem zu Beginn so ihre Höhen und Tiefen. Man soll ja an so einer Beziehungskiste stets arbeiten - aber inzwischen sind wir so aufeinander eingestellt, daß wir unsere Macken kennen.
Also ich vor allem ihre.
Als wir uns kennenlernten, war ich Anfang 30 und sie gerade süße 25 geworden. Zugegebenermaßen, sie sah schon immer etwas älter aus. Viele die sie sehen, schätzen sie locker auf 50, vergessen aber nicht im selben Atemzug zu erwähnen daß sie noch blendend aussähe für ihr Alter. Der unbedarfte Betrachter verwechselt sie gerne mit ihrer erstgeborenen Schwester, die schon 1964 zur Welt kam.
Ich fand sie über ein Inserat im Internet. Sie lebte damals noch in einem kleinen Ort in der Nähe von Trier. Es war ein Blind Date, aber ich nahm sie sofort mit nach Hause. Die erste Zeit lief es nicht so toll. Sie rauchte und roch nach billigem Fuselsprit, war zickig und divenhaft. Bei unserem ersten Ausflug nebelte sie erst das halbe Viertel ein und weigerte sich irgendwann einfach, auch nur noch einen Meter weiterzulaufen.
Ich vertraute meine Probleme mit der kapriziösen gebürtigen Münchnerin ein paar im Internet neu gewonnenen Bekannten an. Viele kannten meine Lage nur zu gut, lebten sie doch seit Jahren teilweise mit mehreren der strammen Bayerinnen zusammen und so bekam ich eine Menge gute Tipps (und internetüblich eine doppelt so große Menge blanken Unsinn) zu hören. Das half uns weiter.
Ich begann also mit der Beziehungsarbeit und siehe da, bald zeigten sich erste Erfolge: Nachdem wir gemeinsam mal ganz tief in uns gegangen waren, sprang plötzlich wieder ein kräftiger Funke über und wir gewannen neuen Schwung. Auch das Rauchen hat sie aufgegeben, seit ich ihre Drinks nur noch mit dem guten Stihlöl mixe. Nach gut zwei Jahren Sturm und Drang waren wir unversehens zu einem guten Team zusammengewachsen. Und so ist es bis heute, 12 Jahre sind wie im Fluge vergangen. Ich lasse sie das Winterhalbjahr in der Tiefgarage in Ruhe schlafen und sie begrüßt mich stets beim ersten Wiedersehen mit kräftiger Stimme.
Ich liebe dieses alte Mädchen. Ihre Formen sind immernoch sexy und sie besteht nicht zum großen Teil aus Plastik wie die jungen Dinger, die inzwischen wieder allenthalben billig zu haben sind. Zwischen denen sieht sie aus wie Audrey Hepburn im weißen Kleid zwischen lauter bunt gewandeten Arschgeweihträgerinnen. So eine ist sie nicht. Die mit ihren dünnen Stimmchen. Sie summt nicht nur, sie singt die ganze Tonleiter rauf und runter und manchmal meckert sie auch. Sie ist nicht zu überhören.
Genug der Schwärmerei. Ich schreibe hier natürlich über meinen Zündapproller, dem wir ganz besonders in der zickigen Erstphase nach dem Kauf den Namen R-na gegeben haben, denn es ist eine Zündapp R50. Dieses Modell wurde in gewissen Variationen von 1964 bis zum bitteren Ende von Zündapp im Jahre 1984 gebaut, karosseriemäßig unverändert. Der Motor sitzt anders als bei der Vespa in der Schwinge vor dem HInterrad und nicht daneben, die eingebaute permanente Schräglage des italienischen Kultrollers ist ihr daher fremd und sie hat eine ordentliche Straßenlage für ein Gerät mit Schubkarrenrädern.
Natürlich ist das Temperament (obschon vorhanden!) eher begrenzt. 2,9 PS reißen in Verbindung mit Ganzmetallausführung keine Löcher in den Asphalt. Andererseits hat sie drei handgeschaltete Gänge, die gekonnt bedient durchaus flottes Vorankommen ermöglichen - im Rahmen der gesetzten Grenzen. Die 8 PS, mit denen chinesische Joghurtbecherroller aus dem Baumarkt auf dem Papier prunken, landen bekanntermaßen zu 5/8 in der standardmäßigen Automatik...
Der Kenner aber versteht es, die per Seilzug arbeitende Handschaltung der Zündapp flott und doch mit ruhiger Hand zu bedienen. Zumindest tut er gut daran, denn andernfalls (oder wenn der etwas schräg ausgeknobelte Mechanismus aus Schaltrohr mit Nocken, Seilzug und Federkraft nicht mehr so ganz taufrisch ist) kann es unschöne Rucke im Antriebsstrang geben, was aus den bewundernden Blicken der Zuschauer schnell mitleidsvolle macht.
Ja, tatsächlich sind die Reaktionen des Publikums komplett positiv. Ist man mit dem Blechroller unterwegs, sind hochgestreckte Daumen ein nicht seltener Anblick.
Immerhin ist sie inzwischen auch zuverlässig. Das war zu Anfang nicht so, ich erwähnte es bereits. Aber ein neuer Vergaser, eine kontaktlose Zündung und eine Motorrevision ließen sie wieder zu alter Form finden. Wobei "Motorrevision" erheblich spektakulärer klingt als es wirklich war: Motor ausbauen, in ein handelsübliches Packset XL packen (nicht mal der Briefträger hat geglaubt, daß da mein Rollermotor drin ist) und zum Spezialisten meines Vertrauens geschickt. 14 Tage später ist er in komplett aufgearbeiteten Zustand wieder da. Der Preis ist mehr als fair, die getane Arbeit solide. Und seitdem läufts. Selbst nach dem Winterschlaf springt sie spätestens nach dem dritten Tritt auf den Kickstarter an.
Die R-na ist mein kleiner persönlicher Oldtimer. Ich kann sie mir leisten, anders als die inzwischen komplett und endgültig zum Garagengold mit brutaler Rendite verkommenen Old- und Youngtimer-Autos, die allen Beteuerungen, sie seien nach wie vor ein Jedermann-Hobby zum Trotz inzwischen in für nicht geschäftsführende Personen unerschwingliche Preisregionen geklettert sind. Obwohl: Auch die wackeren Zündapps sind vom Kultfaktor nicht verschont geblieben und würde ich sie heute verkaufen, bekäme ich wohl etwas mehr als meine damalige Gesamtinvestition heraus.
Nur: Ich würde sie niemals verkaufen, meine R-na.
Nachtrag 2.Juli 2015: Gestern hat sie auf einem abendlichen Ausflug einen halben Schnürsenkel inhaliert. Ich schnurrte mit ihr so dahin, durch die immer noch pipiwarme Luft der städtischen Straßen, die Füße in meinen alten niedrigen Chuck-Surrogatschuhen locker auf den Trittbrettern... plötzlich ein schneller Ruck am linken Fuß, ein kurzes Schwurbeln und Rattern hinter der linken Blechbacke. Ich fuhr rechts ran, umgeben von riesigen schwirrenden Fragezeichen. Oje, das klang sehr merkwürdig...
R-na pöttelte aber schon wieder ganz entspannt im Leerlauf. Tatsächlich hatte sich mein Schnürsenkel geöffnet, eines der Enden war durch den Spalt zwischen Verkleidung und Trittbrett wie ein Spaghetti vom Gebläserad eingeschlürft und quer durchgepustet worden. Gut 20cm fehlten am linken Schuh. Danach aber normaler Ruhepuls, zumindest beim Roller. Vorsichtiges Heimfahren (nur noch 250 Meter, gottseidank...) ergab keine spürbaren Unregelmäßigkeiten. Ich werde aber die Luftleitverkleidung nochmal runtermachen und nach Resten suchen... Noch'n Nachtrag, drei Tage später: Keine Schnürsenkelreste zu finden, dafür hatte es das Lüfterrad in seine zwei Einzelteile (Lüfterrad selbst und daruf sitzender Abschlußring) zerlegt. Das ließ sich aber einfach reparieren. Bei der Gelegenheit gabs auch neue Bremsbacken vorne und hinten, nachdem die letzten Bremsmanöver eher das Gefühl eines A380 auf regennasser Landebahn aufkommen ließen.... waren ganz schön runter. Jetzt kann man mit einem beherzten Tritt aufs Pedal wieder Bremsspuren in den heißen Asphalt brennen... oder so ähnlich....
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Schön ist es schon, daß man inzwischen so ziemlich alles online bestellen kann. Rund um die Uhr, rund um die Welt, alles was das Herz begehrt. Zwar mockern die "Offline"-Händler durchaus zurecht angesichts der faulen Säcke von Kunden, die den Weg nicht mehr in ihre Läden finden, aber manche haben da beim Eigenes-Grab-Schaufeln schon ganz schön den virtuellen Spaten glühen lassen. Wer denkt nicht mit Grausen an die "Spezialistenläden", in denen sich grundsätzlich Fachpublikum tummelt, das dem Ladenbesitzer/Verkäufer durch eine gemeinsame Leidenschaft tief verbunden ist - wehe dem "Dummie", der sich in so einen Laden hineinbegeben hat, um sich mit vernichtenden Blicken und schnippischem Verhalten den Tag verderben zu lassen ("Natürlich brauchen Sie dafür den Adapter E41Q, das wissen Sie schon, gell...?!!" - theatralisches Augenrollen und genervter Blick zum Stammkunden, der abfällig grinst oder eine "Oh Mann"-Physiognomie übt).
Online-Shops sind (zumindest in der Regel) grundsätzlich nett, informativ, schmerzfrei und geschmacksneutral. Um aber wenigstens einigermaßen mit der rauhen Wirklichkeit gleichziehen zu können, hat irgendjemand nach dem Motto "Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht" ein Bewertungssystem eingeführt. Das klingt ja erstmal ganz gut, liegt es doch in der Natur der Sache, daß man ja permanent mit Katzen in Säcken handelt. Da ist man für etwas Beratung, zumindest aber Feedback un/zufriedener Vorkonsumenten doch dankbar. Da wir gelernt haben, daß den vollmundigen Versprechen von Verkäufern nicht erst seit Pferdehändlerzeiten mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen ist, schien die Online-Bewertung durch Dritte eine tolle Möglichkeit zu sein, aus unbeeinflußtem Munde zu erfahren, was es mit dem begehrten Gegenstand so auf sich habe.
Natürlich hat man dabei nicht bedacht, daß das Internet hier mal wieder in seiner Hauptfunktion als Irrenmagnet zu Topform auflaufen würde.
Mal davon abgesehen, daß es nicht funktionieren kann, weil sich auch hier die außerordentliche Güte des menschlichen Gesamtentwurfes bildhaft zeigt: Der zufriedene Kunde hält eher die Klappe, weil er ja nix zu meckern hat. Der unzufriedene zieht alle Register, um sich an seinem neu- und liebgewonnenen Feindbild in Form des Verkäufers oder Herstellers abzuarbeiten.
Schauen wir heute, nachdem sich das System etabliert hat, in die Bewertungen eines führenden Online-Händlers, so können wir sämtliche Ausprägungen blühender menschlicher Störungen in den allerschönsten Farben schillern sehen.
Es gibt zum Beispiel die "vollkommen gehirnalbern"-Fraktion, die nicht nur keine Ahnung von nichts hat, sondern auch keinerlei Schamgefühl, das verhindern könnte, dieses Nichtwissen bereitwillig weiterzugeben. In diese Kategorie fallen Bewertungen wie "Sieht einfach scheiße aus, habe ich zurückgeschickt" für eine interne Festplatte oder "Kann keine DVDs wiedergeben" für einen CD-Player. Der Club der toten Synapsen ist aber größtenteils harmlos, weil er so offensichtlich mit offenem Latz und Finger in der Nase rumläuft, daß man sich schon beinahe schämt, darüber zu lachen. Es kommt immerhin von Herzen und das ist schon mehr als man verlangen kann. Und der Bewertung "Supergerät, aber nur ein Stern wegen dem eklig gefärbten Packband" wohnt immerhin, dampft man sie auf ihre sinnvolle Essenz ein, eine halbwegs brauchbare Bewertung inne: Bereitet man sich auf optische Ausrutscher bei der Wahl der Versandverpackung vor, kann man trotzdem glücklich werden mit dem bewerteten Teil.
Viel schlimmer sind die Powerbewerter mit 37.500 verfassten Bewertungen im letzten halben Jahr. Die Superexperten. Die Alleswisser. Die-Mit-Der-Stiftung-Warentest-Tanzen. Tschüß Dichter und Denker, hallo Richter und Henker. Oder wie Friedrich Liechtenstein es ausdrücken würde: "Superwissen - Superkönnen - Superdurchblick - Supergeil".
Da werden dann schonmal drei Seiten Testbericht über einen Adapterstecker von 3,5 auf 6,3 mm-Klinke verfasst. Weniger um derlei simples Gerät zu promoten oder zu verdammen, sondern in erster Linie mal um das eigene Ego so richtig schön leuchten zu lassen. Korinthen zu kacken wäre für diese nützliche Spezies echtes Großkaliber. Gerne würde ich so manchen von diesen Knallköpfen mal persönlich treffen. Ich habe 10 von ihnen zwecks Kontaktaufnahme von Angesicht zu Angesicht angesprochen - 2 waren inexistent, 3 hatten keine Zeit und mußten weg (Ohoven-Syndrom*) und 5 bekamen von ihrem Lebenspartner keinen Ausgang.
Und seit man die Kommentare auch noch kommentieren kann, haut man sich auch noch die gefühlte Fehleinschätzung des jeweils anderen um die Ohren ("Ich kann nicht verstehen, wie du sagen kannst, der Flaggenmast wäre in Ordnung, wenn er ganz offensichtlich 3mm niedriger als angegeben ist")
Last but Least wären da noch Fanboys/-girls und Haters. Am besten zu beobachten bei Apple-Produkten. Ganz nüchtern betrachtet auch nur Handys/Tablets/Computer und wer den Designaufpreis von 300-500% bezahlen möchte, bitteschön. Wie auch immer, die Fans finden alles immer rundum gelungen. It's not a bug, it's a feature. Und wenn das Ding in Flammen aufgeht freut man sich noch über die schönen warmen Hände. Haters finden irgendwas (namentlich die Konkurrenzprodukte ihrer Fan-Vorlieben) totaaaal doof und nutzen natürlich jede Gelegenheit, den Scheiß schlechtzureden. Das geht von einfacher Häme bis zum Verbreiten sinnloser Fehlinformationen. Die prickelnde Ambivalenz dabei: Man ist fast automatisch beides. Also Apple-Fanboy und Samsung-Hater. Oder umgekehrt. Völlig banane. Früher war ich schizophren, heute geht's uns gut, vielen Dank.
Manchmal ist es ja auch ganz gut, daß es gewisse Verhaltensweisen nur im Internet gibt. Zum Beispiel das sinnlose Negativkommentar-Absondern, online weit verbreitet. Bis jetzt ist es mir noch nicht passiert, daß ich in einem Laden war und es kam jemand rein, nur um laut "Finde ich voll Scheiße" zu rufen und wieder rauszugehen. Da ist die reale Welt immer noch eine Nasenlänge vorneweg.
Ich lese inzwischen kaum noch Bewertungen, oder filtere mühsam das bißchen Substanz aus dem ganzen Pulverdampf heraus. Am Ende mache ich dann doch wieder meine ganz persönliche Erfahrung - fliege voll rein bei dem vom (am besten noch gekauften) Fan gehypten Gerät. Und freue mich über meinen Fernseher, dessen "leichte Rucke bei schnellen Bewegungen von links oben nach rechts oben, aber nur wenn sie bogenförmig über die Mitte unten verlaufen" ich beim besten Willen nicht erkennen kann. Ich Depp.
Das Internet nervt.
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Ich habe es tatsächlich getan und nach den üblichen, zwischenzeitlichen paar Momenten, in denen ich zwischen Herzinfarkt und Wahnsinn schwebte, hat es sogar am Ende funktioniert: Bahn und Wirklichkeit befindet sich ab sofort auf einem neuen Server, der speziell dafür eingerichtet wurde. Die Wartezeiten beim Öffnen der Website und Anzeigen der Bilder sollten damit deutlich reduziert auftreten. Mal sehen.
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Letzten Donnerstag, gerade einer stundenlangen Prüfung entkommen (Weiterbildung tut not, aber manchmal auch weh…) habe ich auf dem Rückweg nach Hause am Frankfurter Flughafen Halt gemacht, auf der Zeppelinheimer Seite, wo man im Wald parken und dann auf einer schmalen Brücke über die A5 spazieren kann und dort inzwischen recht komfortabel die an- und abfliegenden, wie auch die zwischen Süd- und Nordteil des Flughafens hin- und herrollenden Flugzeuge beobachten kann. Nach mehr als drei Stunden Kopfarbeit war es sehr befreiend, sich den Wind durch die Jacke pfeifen zu lassen und den großen Vögeln bei ihren mal mehr und mal weniger eleganten Manövern zuzusehen.
Es gab mal eine Zeit in meiner Kindheit, so um die dritte, vierte Klasse herum, als ich total flugzeugverrückt war. Damals war klar: Ich werde Pilot. Ich kannte alles, was rund um den nicht weit entfernten Frankfurter Airport herumschwirrte, mit Vornamen - ach was, Spitznamen. Ein paar von meinen Kumpels waren ähnlich drauf. Nachmittags konnte man uns im Sommer am „Flugberg“ finden, einem kleinen, mit hohem Gras bedeckten Hügel gleich hinter den letzten Häusern unseres Vorortes. Dort ließen wir unsere Gummimotorflugzeuge (die besten waren von „Günther Flugspiele“ und „Dux“- gibt’s die eigentlich noch…?) hinabschnurren und träumten davon, selbst mal so ein Gerät „in echt“ zu pilotieren.
Wie immer schrieb das Leben dann ein ganz anderes Drehbuch. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mir leise Vorwürfe mache deswegen. Wahrscheinlich eine Nebenwirkung der allfälligen Midlifecrisis… Und natürlich weiß ich auch um die Molochseite des Flughafens, die Fluglärmproblematik ist mir als Bewohner des relativ unmittelbaren Umfeldes nicht fremd, obwohl ich das Glück habe, (zumindest momentan) nicht direkt betroffen zu sein. Und natürlich ist die ganze Verkehrsfliegerei nicht eitel Sonnenschein, CO2-schleudernd und hat spätestens an einem sonnigen Septembertag im Jahre 2001 endgültig den letzten Rest ihrer Unschuld verloren. Ich sage deswegen auch nicht so einfach „Ja zu FRA“, weil mir das etwas zu vereinfacht erscheint. Trotzdem zieht es mich immer mal wieder dorthin, wo sie sich aufschwingen oder erden, weil ich in Gedanken dabei sein kann. Fliegen tu ich nämlich gar nicht so gerne, aber das liegt eher an den Umständen – zum Beispiel daran, daß ich mir kein Ticket für die First Class leisten und dem klaustrophobischen Sardinendasein des modernen Economy-Passagiers wenig positives abgewinnen kann.
Also bleibt’s meistens beim Zuschauen. Nun bin ich ja auch was das Betrachten von Flugzeugen angeht, ziemlich unprofessionell und ein reiner Gefühlsmensch. Mich fasziniert die schiere Kraft dieser Maschinen, ihre mehr oder minder ausgeprägte Eleganz und natürlich die Technik, mit der da Tonnen von modernsten Werkstoffen in die Luft und meist erfolgreich wieder auf den Boden gebracht werden. Da hat sich seit 1979 bei mir überhaupt nicht so viel getan, wie ich vielleicht gerne hätte.
Professionelle Beobachter sind die Kollegen, die man dort am Flughafen antreffen kann: Planespotter. Irgendwie habe ich da natürlich ein Deja-vu, weil da schon erhebliche Parallelen zu den Zug-Anguckern bestehen. Train- und Planespotting ist beides eher eine Männerdomäne. Auch sollte man natürlich entsprechendes hochwertiges Aufnahmegerät besitzen und sichtbar spazierenführen. Was die Flugzeugbeschauer im Besonderen auszeichnet ist eine ausgesprochen wichtige Regel und die lautet: Ich hab den längsten. Den längsten Objektivtubus nämlich. Teleobjektive unter 30cm Länge werden mit Blicken bedacht, die zwischen mitleidig und höhnisch changieren. Einmal habe ich den Fehler gemacht, meine Knipskiste mit angeflanschtem, kurzem „Suppenzoom“ inmitten der spöttischen Spotter auszupacken und es war kein schöner Moment.
Wobei ich mich ernsthaft frage, wofür die langen Rohre gut sind, denn selbst mit meinem Mickerzoom kriege ich die in nur gut 100 Metern Entfernung vorbeischwebenden Riesen schon bei etwas mehr als Normalbrennweite formatfüllend ins Bild. Ich frage mich dann immer, was die fotografieren. Vielleicht kann man mit dem monatslohnteuren Riesentele durchs Kabinenfenster der Flugbegleiterin ganz gut in den Ausschnitt schauen. Oder man ergeht sich im Erfassen von Details, auf die ich Träumerle niemals mein Augenmerk legen würde: Aha, der Lufthansa- Airbus „Klein-Gumpen“ hat schon wieder einen neuen Verschlußriegel an der hinteren Frachtluke bekommen… Egal. Es ist ein nicht so unsympathisches Hobby, das die Kollegen da betreiben. Immerhin wird selten jemand verletzt, man ist stundenlang an der frischen Luft und sorgt für das Fortkommen der Kameraindustrie und die Sicherung von Arbeitsplätzen bei Zoomobjektivproduzenten. Und wenn man Glück hat, kann man nach einer der gottseidank bezogen auf das Gesamtaufkommen extrem seltenen Luftzwischenfälle vielleicht noch ein paar der ordentlich katalogisierten Bilder an die Boulevardpresse verticken. Lassen wir den Helden des Flugfeldrandes also ihren Spaß, ich kann ihn immerhin teilweise nachvollziehen.
Neulich fand ich eher zufällig bei zielloser Rumsurferei ein Video von Airbus Industries. Ja, klar, das ist ein Riesenkonzern, grundsätzlich also eher mit gesunder Skepsis zu betrachten undsoweiter. Sehe ich im gewissen Rahmen auch so (ohne mich in die Sümpfe der Verschwörungsparanoia zu begeben). Aber was da geboten wurde, hat mich doch ziemlich fasziniert: Vom neuen Modell A350 gab es zum Zeitpunkt der Aufnahme Ende September letzten Jahres genau 5 Stück, allesamt Erprobungsmuster ohne komplette Zulassung. Der A350 ist der modernste Sproß der Airbus-Familie, er soll mit Sparsamkeit und wenig Lärm punkten und kann in bestimmten Konfigurationen zumindest theoretisch die Welt nonstop umrunden. Vor allem ist der A350 ein nicht unelegantes Flugzeug, mit einem dynamischen Raubvogelgesicht und schicken Winglets an den Enden der Tragflächen.
Was man an diesem 29. September in und über Toulouse veranstaltete, fasziniert mich – sorry – ziemlich. Wie man in dem gut 6 Minuten langen Dokuvideo zu dieser Aktion sehen kann, starteten die 5 A350 direkt hintereinander zu einem Werbeflug, in deren Verlauf die sanften Riesen sich ganz unverkehrsflugzeugmäßig in verschiedenen Formationen durch den Himmel über Frankreich bewegten, mit durchaus für Flugzeuge dieser Art als spektakulär, zumindest aber als sehr außergewöhnlich zu bezeichnenden Manövern. Geflogen wurden sie dabei von der Riege der Airbus-Testpiloten, allesamt gestandene Flugzeugführer mit extremer Erfahrung, wahrscheinlich keiner unter fünfstelliger Flugstundenzahl, freundlich wirkende Herren mit graumelierten Haarschöpfen mittleren Alters.
Nicht allein die ästhetisch sehr ansprechenden und natürlich perfekt choreografierten, gefilmten und musikunterlegten Flugbilder sind dabei interessant, sondern auch, mit welcher bubenhaften Begeisterung und gleichzeitig großem Eifer und Akribie diese absolut ernsthaften und -zunehmenden Ingenieur-Piloten diese Flugschau planen und schließlich ausführen. Klar geht es um Werbung und darum, vor der Konkurrenz (die mit den brennenden Batterien…) mal so richtig einen auf dicke Hose zu machen. Und natürlich ist das Ganze im Grunde eine exorbitante Verschwendung von Ressourcen jeder Art. Aber es zeigt auch, daß da Menschen mit echter Leidenschaft und Begeisterung am Werke sind. Und trotz aller Sinnfreiheit dieses Unterfangens einfach totale Könner ihres Faches von hoher Disziplin und Präzision.
Davor habe ich einen Heidenrespekt. Wie ein Blick in die PR-Videoabteilung von Airbus zeigt, finden solche Formationsflugevents mit neuen Flugzeugmustern immer mal wieder statt. Man kann dazu stehen wie man will - ich stehe wieder als ganz der Neunjährige aus dem Jahr 1979 mit offenem Mund da und bin seeehr angetan. Der eine oder andere wohlige Schauer ist drin und fast ertappe ich mich dabei, die von den Piloten mit breitem Grinsen gezeigten hochgestreckten Daumen zu erwidern. Lustigerweise finde ich den eigentlichen Werbefilm, der dabei entstanden ist, weit weniger interessant als das „Making Of“. Aber das ist sicher auch eine Frage des persönlichen Geschmackes.
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Es gibt ja so viele Dinge, denen wir nachweinen. Besonders vergangene. Die schlimmste Krisenzeit bekommt spätestens nach 50 Jahren das Label "Gute Alte Zeit" aufgeklebt und lebt in einer schöngesoffenen Stammtischversion ein Leben als Wiedergänger, der so gar nichts mit seiner Urform zu tun hat. Früher war alles besser, da können wir heute noch so satt, sauber und sozialmedienversorgt sein, von diesem Grundatz weichen wir nicht ab.
Aber es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel die Post: Früher machte das Postamt seinem Namen alle Ehre und heute mühen sich die Postfilialen redlich, wenigstens etwas von dem einstigen Ruhm in die Zeit des Shareholder Value zu retten. Traditionell Inbegriff deutscher Bürokratie und Formularverliebtheit hat sich trotz selbstklebender Briefmarken nicht wirklich wahnsinnig viel verändert.
Ok, die Sub-Subunternehmer, die den Postschalter nur als Zubrot zum eigentlichen Geschäftszweck (der aber überwiegend passenderweise im Schreibwarenbereich zu liegen pflegt) mitlaufen lassen, versuchen schon, im gegebenen Rahmen die Postgeschäfte etwas mit modernem Point-Of-Sale-Feeling zu würzen. Meist scheitert das aber an den Zutaten, die ja von der Post gestellt werden. Genauso wie der beste Sternekoch keine Rosmarinkartoffeln hinbekommt, wenn er nur je ein Salz- und Pfeffertütchen mit Aufdruck der Raststätte Hardtwald zur Verfügung hat, ist der Betreiber der Postagentur arg eingeschränkt in seiner Kundendienstflexibilität, wenn er dabei von einem engen Vorschriftenkorsett im eisernen Griff gehalten wird.
Vor ein paar Tagen hatte ich eine Benachrichtigung im Briefkasten, daß ein Brief nicht habe zugestellt werden können und ich ihn bitteschön binnen einer Woche in der Postfiliale abholen möge. Das ist nicht schwer, denn die Filiale befindet sich nur zwei Ecken weiter. Leider - wie mir die freundliche Dame in der Agentur schon beim Anblick meines Abholscheines quer durch den Schreibwarenladen zurief - ist diese Filiale nur Anlaufziel für nicht zugestellte Produkte des Geschäftsbereiches für Pakete und Päckchen (inwischen auch unter dem eingekauften Label DHL bekannt, was laut unserem Paketboten die Abkürzung für "Dauert Halt Länger" sei) - der Geschäftbereich Brief, der offensichtlich völlig andere und weithin unterscheidbare Abholzettel verteilt, liefere nicht zustellbare Briefe (und eben nur die) an eine andere Filiale, namentlich die am Bahnhof gelegene.
Diese Filiale wartet mit einigen Eigenheiten auf. Nicht allein, daß es sich um die ehemalige Bahnhofspost handelt, die zu seligen Wirtschaftswunderzeiten in der Lage war, Briefe jedem passenden D-Zug mit auf den Weg zu geben, handelt es sich doch bei ihr um eine der wenigen verliebenen Reservate, in denen sich noch gestandene, hauptberufliche Postmitarbeiter um die ordnungsgemäße Verarbeitung von Sendungen aller Art verdient machen. Auch sind dort viele in Ehren ergraute Postler anzutreffen und ich vermute, daß es eine Art "Auslauf-Post" für die letzten Exemplare einstiger Postbeamtenherrlichkeit ist.
Nonchalanz und Larifari wie in den Franchise-Filialen ist den hier arbeitenden Menschen fremd. Als ich einmal ein Posterentwurf in einer Papprolle zu verschicken hatte, wurde hier von dem Mann im blauen Hemd mit geübtem Griff ein Rollmaßband aus einer Schublade hervorgezaubert und sssst - die Länge der Röhre vermessen. Es stellte sich heraus, daß das runde Versandstück sich erdreistete, tatsächlich fast einen Zentimeter länger als die vorgeschriebene Maximallänge zu sein. Mit ernstem Blick ließ der Postler das Maßband in sein Gehäuse zurückschnappen und blickte mich mit erhobenen Augenbrauen an. Für Sekunden herrschte Stille in der Schalterhalle, selbst die anderen Kunden in der zentralisierten Warteschlange, die durch allerlei teilweise recht wirre Angebotsaufsteller kreuz und quer und jedesmal anders abgesteckt durch die Halle mäandert, schienen angesichts dieser schweren Krise die Luft anzuhalten und entspannten sich erst ein bißchen, nachdem ich mich verschwörerisch über den Schaltertisch gebeugt hatte und dem nicht wirklich amüsierten Rollenversandfachmann mit leiser Stimme den Vorschlag "Ich sag's keinem, wenn Sie es auch keinem sagen..." zugeraunt hatte. Die Augenbrauen blieben oben. Er entgegnete "Sie werden es ja merken, wenn es zurückkommt!", grabschte die Rolle und feuerte sie auf einen im Hintergrund wartenden Paketwagen.
Die Rolle kam nicht zurück.
Heute habe ich Glück. Einer der drei Kurzparkplätze direkt vor dem ehemaligen Grossherzoglichen Postamtsgebäude ist tatsächlich frei. Kurz versuche ich, die angegebene Höchstparkdauer von 15 Minuten mit Parkscheibe mit der Halbstundenteilung ebendieser irgendwie in Harmonie zu bringen, gebe aber nach kurzem Nachdenken auf und stelle die Scheibe wie der Paragraph 13 der StVO gebietet, auf die nächste Halbstundenmarkierung, was mir nun tatsächlich gute 40 Minuten legale Parkdauer verschafft, die aber erfahrungsgemäß durchaus gerade ausreichend sein kann.
Immernoch ein guter Tag. An diesem Abend ist die Postfiliale nicht besonders bevölkert, sodaß es eigentlich schnell gehen könnte, wenn alle 8 Schalter besetzt wären. Besetzt sind aber nur drei, an denen sich die Postal Senior Expert Group stets bemüht, das Versandgeschäft in die richtigen Bahnen zu lenken. Nach mir kommt ein älterer Herr, Typ Geschäftsmann im teuren schwarzen Anzug, in leicht abgehetztem Zustand herein. Offensichtlich hat er noch die Öffnungszeiten der einstigen Behörde im Kopf, aber diese Filiale hat bis 19 Uhr geöffnet. Er schnauft und stellt sich hinter mir in die Schlange.
Am Schalter eins tippt die diensthabende Postlerin wie besessen auf dem Zehnerblock ihrer Tastatur herum, der Kunde vor dem Schalter schaut schon etwas glasig, eingelullt vom Stakkato der Tastenklicks.
Schalter zwei ist mit einem Geldauszahlungsproblem befasst. Das kann dauern. Der altgediente Postmann geht gerade mit ernstem Blick die Formulare durch. Wenn jetzt das amtliche Führungszeugnis älter als drei Wochen ist... lieber nicht daran denken. Die Kundin schaut sich immer wieder betreten um, sie spürt offensichtlich die dolchspitzen Blicke der Schlangesteher im Rücken. Der Mann im Brioni hinter mir schnauft.
Der Postmitarbeiter am dritten geöffneten Schalter ist mit der Suche nach einem Paket vollbeschäftigt. Er pendelt zwischen verschiedenen Paketwagen und -ablagen hin und her und versichert bei jedem Vorbeikommen am Schalter dem wartenden Kunden, daß es sich jetzt nur noch um Minuten handeln könne... Der alte Geschäftsmann seufzt.
Im nächsten Moment ist das Auszahlungsproblem gelöst und die Kundin wendet sich Richtung Ausgang, ihre soeben abgehobenen 30 Euro glücklich an sich pressend. Ich rücke auf an die Spitze der zentralen Wartegemeinschaft. Der Man in Back hinter mir schnauft und seufzt dann. Langsam beginne ich mir etwas Sorgen zu machen. Andererseits: Vielleicht ist das ja nur Taktik. Manche Leute tun alles, um in der Postschlange weiterzukommen. An einem Pfeiler der Halle entdecke ich einen Notfall-Defibrillator, das beruhigt mich etwas. Der alte Herr seufzt und schnauft noch einmal, dann gibt er auf und fügt sich scheinbar fortan klaglos in sein Schicksal.
Ebendieses Schicksal meint es aber gut mit uns, denn mit einem Schlag sind alle gerade anstehenden Probleme gelöst und wir verteilen uns auf die nun freien Schalter, deren Personal uns freundlich, aber bestimmt heranwinkt.
Ich lege die Abholkarte auf den Tisch und sofort begibt sich der Postfach-Angestellte ans andere Ende der Schalterhalle, wo man ihn irgendwo im Hintergrund kruscheln und mit einem der anderen Postler diskutieren hört. Nach lediglich 2 Minuten ist er zurück, verneint meine Frage, ob er noch meinen Ausweis brauche und legt mir freudestrahlend einen dicken Polsterbrief hin, der eindeutig an meine Nachbarin schräg gegenüber adressiert ist. Er wünscht mir noch einen schönen Abend, bemerkt aber schnell die nicht besonders gut koordinierten Rangierarbeiten meiner Gesichtszüge und fragt schnell nach, ob es irgendwelchen Grund zu meiner offensichtlichen Irritation gebe.
Ich erkläre, daß ich mit der Dame aus dem Hause schräg über die Straße weder verwandt noch verschwägert sei und daß auf meiner Abholkarte ja auch mein Name gestanden habe und nicht jener der mir persönlich unbekannten Nachbarschaft.
Augenbrauen nach oben (aha, das lernen die bei der Ausbildung!), jetzt wird's dienstlich. "Gemse ma den Personalausweis!" Spricht's, schnappt das scheckkärtchengroße Teil mit meinem biometrisch finsteren Konterfei darauf und schnurrt wieder davon. Sehr erleichtert kommt er nach weiteren 3 Minuten Gekruschel und Hintergrunddiskussion freudestrahlend zurück und hat tatsächlich einen anderen dicken Brief, den er mir zusammen mit meinem jetzt doch persönlich postgeprüftem Perso in die Hand drückt. Auf dem braunen Packpapier lacht mir meine Adresse entgegen. Geht doch.
Ich bedanke mich, wünsche noch einen schönen Abend und verschwinde rasch aus der Schalterhalle, bevor der Postler zu einer Ausführung über das Überschreiten der vorgegebenen Maximaldicke von Briefsendungen und die allfälligen Konsequenzen bei Nichtbeachtung ansetzen kann. Außerdem schnauft und seufzt der inzwischen am anderen Schalter wartende Elder Businessman schon wieder ganz arg.
Draußen danke ich dem Gesetzgeber in Gedanken kurz für den Paragraph 13 der StVO, denn ich habe immer noch fast 20 Minuten Parkzeit auf dem 15-Minuten-Kurzparkplatz übrig. Das ging ja flott. Leider steht jemand quer hinter mir, aber der junge Mann sitzt noch im Auto, wartet offensichtlich auf einen andern Postkunden. Ich schaue ihn an und hebe die Augenbrauen gemäß Postvorschrift. Er würgt sofort den Rückwärtsgang rein und knallt beim Platzmachen beinahe gegen den Fahrradständer vor dem Postgebäude. Donnerwetter, das funktioniert ja tatsächlich!
Da sage noch einer, die hätten nichts drauf außer Bürokratie, die Postler.
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Aber nicht so schlimm, ich schalte einfach die Spielkonsole ein und gönne mir DAS SCHÖNSTE SPABRENNSPIEL DER WELT
Wenigstens sind die Orangen im Supermarkt SÜB. (Zwei Zeilen drüber ist der GENUSS noch in Ordnung!)
Auch Google weiß offensichtlich nicht alles - das ist immerhin eine wohltuende Erkenntnis, die sich sicher auch bis nach STRABBURG durchspricht.
Lustige Variante: Ich war vor ein paar Tagen zwecks Weihnachtsgeschenkbeschaffung unterwegs und erstand bei zwei ausgezeichneten Gaststätten ein paar Geschenkgutscheine. Über Dreißig Euro. Man ahnt was nun passiert? Nein, man ahnt es nicht. Statt erwartungsgemäß in trendigen Versalien "DREIßIG" draufzuschreiben, drückten sich die kulinarischen Kreativen auf relativ unvorhergesehene Weise um das Deppen-ß...
Der erste machte einfach einen "könnte auch ein ß sein"-Schnörkel:
Der zweite löste das Problem völlig kühn mit einem z ohne s vorneweg, wohl um die pikante Würzung seiner Speisen typographisch zu unterstützen:
Wohlgemerkt: Nummer zwei ist kein ungarisches Restaurant gewesen, sondern ein durch und durch deutscher Vertreter moderner (und auch für mich Fleischfresser echt leckerer) vegetarischer Küche. Nur um die naheliegende Krampfreaktion zahlreich existenter latent xenophober Mitbürger im Keime zu ersticken.
...to be continued.
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Samstag morgen, letztes Oktoberwochenende, viertel vor Acht. Bis zum Beginn meiner Fortbildung ist noch etwas Zeit. Da sie mitten in der Innenstadt der Fächerstadt stattfindet, reicht es noch für einen kurzen fotografischen Ausflug um vier Ecken.
Auf dem Ludwigsplatz herrscht eine fast meditative Ruhe, er dient um diese Samstagsfrühe nur als Versammlungsstätte für hunderte leerer Stühle, abgeräumter Tische und zugeklappter Riesenschirme. Aber dazwischen sind schon die ersten (oder letzten?) dienstbaren Geister unterwegs, die mit den Vorbereitungen für das Wochenende beschäftigt sind.
Ich biege ab in die Waldstraße, die außer ein paar schütteren, magersüchtigen und herbstzauseligen Alleebäumchen am Ludwigsplatz entlang keinen Wald enthält, aber damit befindet sie sich ja in der guten alten Tradition von Hundekuchen und Jägerschnitzel. An der Ecke zur Kaiserstraße steht ein imposanter Jugendstilbau, der sogar stolz seine Schöpfer an der Fassade mit Namen nennt - kein Wunder, daß viele sichtbetonschwere Bausünden späterer Epochen sich in dieser Beziehung wenig gesprächig geben und lieber schweigen wie Steine.
Wer um diese Zeit auf der Suche nach Luxusuhren ist, dem hilft auch sein prall gefüllter Geldbeutel nichts. Es dauert noch ein paar Stunden, bis die vermeintlich bessere Gesellschaft sich hier die Klinke in die Hand geben kann.
Auch die Hof-Apotheke in Ecklage des Bauwerkes verheißt dem Stadtbesucher, der sich (anders als ich) am Abend zuvor dem süßen badischen Wein ergeben hat und nun unter postbibendem Schädelgrimmen leidet, nur optische Labsal in Form eines klassischen, wunderbar chemisch-blau-leuchtenden Bayerkreuzes, Aspirin gibt es hier aber nicht, denn sie hat noch geschlossen.
In der Kaiserstraße rollen auch samstags unermüdlich die gelben Triebwagen verschiedenster Bauarten der Albtalbahn und der Stadtwerken Karlsruhe auf und ab, erstaunlich viele auch modernere Fahrzeuge beweisen die immer noch tadellose Lesbarkeit von Anzeigebändern, aber auch hier greift die Flimmerkiste aus hunderten von Leuchtdioden schon um sich. Bemerkenswert ist die Verkehrsdichte in dieser Straße, in beide Richtungen sind die Trams im Sichtabstand unterwegs und ermöglichen schnelles Fortkommen bis weit ins Umland. Das ist in erster Linie ein Verdienst des großartigen Dieter Ludwig, der - seit 2006 im Ruhestand - dieses Jahr seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Wenn man wie er in einem vor dem Einfahrtssignal von Dortmund wartenden Zug geboren wurde, liegt einem wohl alles im Blut, was sich auf Schienen bewegt.
Hundert Meter weiter, vor dem alten Postgebäude, das inzwischen zu einem Shoppingcenter mutiert ist, bahnt sich ein Triebwagen mit einer LED-Anzeige seinen Weg durch einen Dschungel aus Baustellenabsperrungen, findet aber dank sinnreicher Gleisanlage doch die Abzweigung und biegt mehr oder minder elegant mit hellem Spurkranzsingen um die Ecke des Europaplatzes in die Karlstraße.
Hier strahlt dem frühsamstäglichen Flaneur die nächste leuchtbeschriftete Apotheke freundlich entgegen, aber obwohl das warme Rot der Neon-Fraktur vielleicht Labsal für den von allzuvielen Gin-And-Tonics arg strapazierten Magen verheißt - auch hier ist noch Betriebsruhe. Ich freue mich ein bißchen, daß ich mich am Vorabend anders als andere Fortbildungswillige meines Kurses zwar gesellschaftlich todlangweilig, aber gesundheitsmäßig extrem vernünftig verhalten habe und deswegen auch an dieser Pharmazie ohne Bedauern und festen Trittes vorbeimarschieren kann. Manchmal sind wir Langweiler eben die Gewinner und wer abends mit dem Tablet surft, sucht morgens nicht nach Tabletten.
In der Karlstraße summt einer der kurzen, hochflurigen Triebwagen aus der Anfangszeit von "Ludwigs Bahn" heran. Dahinter, am Stephansplatz, leuchtet schon wieder eine Apotheke, angesichts des inzwischen zunehmenden Tageslichtes beeindruckt sie nicht mehr durch ihre Leuchtreklame, sondern mehr durch ihre fast lupenreine 50er-Jahre-Form in einem abgerundeten Tortenstück von einem niedrigen Pavillon, der den morgendlichen Vorbeikommer im Innern Nierentische und eine adrette Pharmazeutisch-technische Angestellte in einem weißen, frisch gestärkten Kasack und Rock in Form von Diors A-Linie vermuten lässt.
Das ist aber nicht überprüfbar, denn auch hier sind die Türen sowohl für den Liebhaber des Wirtschaftswunderstils als auch des in der kühlen Nachtluft wenige Stunden zuvor erkälteten Nachtschwärmers noch geschlossen. Ich freue mich über meinen Schal und meine durch kluges Timing beim Zubettgehen blendend funktionierenden Abwehrkräfte und beende meine frühe Runde durch die Stadt, die ihrem Namen zu dieser Zeit zumindest teilweise gerecht wird.
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