Come fly with me...
Letzten Donnerstag, gerade einer stundenlangen Prüfung entkommen (Weiterbildung tut not, aber manchmal auch weh…) habe ich auf dem Rückweg nach Hause am Frankfurter Flughafen Halt gemacht, auf der Zeppelinheimer Seite, wo man im Wald parken und dann auf einer schmalen Brücke über die A5 spazieren kann und dort inzwischen recht komfortabel die an- und abfliegenden, wie auch die zwischen Süd- und Nordteil des Flughafens hin- und herrollenden Flugzeuge beobachten kann. Nach mehr als drei Stunden Kopfarbeit war es sehr befreiend, sich den Wind durch die Jacke pfeifen zu lassen und den großen Vögeln bei ihren mal mehr und mal weniger eleganten Manövern zuzusehen.
Es gab mal eine Zeit in meiner Kindheit, so um die dritte, vierte Klasse herum, als ich total flugzeugverrückt war. Damals war klar: Ich werde Pilot. Ich kannte alles, was rund um den nicht weit entfernten Frankfurter Airport herumschwirrte, mit Vornamen - ach was, Spitznamen. Ein paar von meinen Kumpels waren ähnlich drauf. Nachmittags konnte man uns im Sommer am „Flugberg“ finden, einem kleinen, mit hohem Gras bedeckten Hügel gleich hinter den letzten Häusern unseres Vorortes. Dort ließen wir unsere Gummimotorflugzeuge (die besten waren von „Günther Flugspiele“ und „Dux“- gibt’s die eigentlich noch…?) hinabschnurren und träumten davon, selbst mal so ein Gerät „in echt“ zu pilotieren.
Wie immer schrieb das Leben dann ein ganz anderes Drehbuch. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mir leise Vorwürfe mache deswegen. Wahrscheinlich eine Nebenwirkung der allfälligen Midlifecrisis… Und natürlich weiß ich auch um die Molochseite des Flughafens, die Fluglärmproblematik ist mir als Bewohner des relativ unmittelbaren Umfeldes nicht fremd, obwohl ich das Glück habe, (zumindest momentan) nicht direkt betroffen zu sein. Und natürlich ist die ganze Verkehrsfliegerei nicht eitel Sonnenschein, CO2-schleudernd und hat spätestens an einem sonnigen Septembertag im Jahre 2001 endgültig den letzten Rest ihrer Unschuld verloren. Ich sage deswegen auch nicht so einfach „Ja zu FRA“, weil mir das etwas zu vereinfacht erscheint. Trotzdem zieht es mich immer mal wieder dorthin, wo sie sich aufschwingen oder erden, weil ich in Gedanken dabei sein kann. Fliegen tu ich nämlich gar nicht so gerne, aber das liegt eher an den Umständen – zum Beispiel daran, daß ich mir kein Ticket für die First Class leisten und dem klaustrophobischen Sardinendasein des modernen Economy-Passagiers wenig positives abgewinnen kann.
Also bleibt’s meistens beim Zuschauen. Nun bin ich ja auch was das Betrachten von Flugzeugen angeht, ziemlich unprofessionell und ein reiner Gefühlsmensch. Mich fasziniert die schiere Kraft dieser Maschinen, ihre mehr oder minder ausgeprägte Eleganz und natürlich die Technik, mit der da Tonnen von modernsten Werkstoffen in die Luft und meist erfolgreich wieder auf den Boden gebracht werden. Da hat sich seit 1979 bei mir überhaupt nicht so viel getan, wie ich vielleicht gerne hätte.
Professionelle Beobachter sind die Kollegen, die man dort am Flughafen antreffen kann: Planespotter. Irgendwie habe ich da natürlich ein Deja-vu, weil da schon erhebliche Parallelen zu den Zug-Anguckern bestehen. Train- und Planespotting ist beides eher eine Männerdomäne. Auch sollte man natürlich entsprechendes hochwertiges Aufnahmegerät besitzen und sichtbar spazierenführen. Was die Flugzeugbeschauer im Besonderen auszeichnet ist eine ausgesprochen wichtige Regel und die lautet: Ich hab den längsten. Den längsten Objektivtubus nämlich. Teleobjektive unter 30cm Länge werden mit Blicken bedacht, die zwischen mitleidig und höhnisch changieren. Einmal habe ich den Fehler gemacht, meine Knipskiste mit angeflanschtem, kurzem „Suppenzoom“ inmitten der spöttischen Spotter auszupacken und es war kein schöner Moment.
Wobei ich mich ernsthaft frage, wofür die langen Rohre gut sind, denn selbst mit meinem Mickerzoom kriege ich die in nur gut 100 Metern Entfernung vorbeischwebenden Riesen schon bei etwas mehr als Normalbrennweite formatfüllend ins Bild. Ich frage mich dann immer, was die fotografieren. Vielleicht kann man mit dem monatslohnteuren Riesentele durchs Kabinenfenster der Flugbegleiterin ganz gut in den Ausschnitt schauen. Oder man ergeht sich im Erfassen von Details, auf die ich Träumerle niemals mein Augenmerk legen würde: Aha, der Lufthansa- Airbus „Klein-Gumpen“ hat schon wieder einen neuen Verschlußriegel an der hinteren Frachtluke bekommen… Egal. Es ist ein nicht so unsympathisches Hobby, das die Kollegen da betreiben. Immerhin wird selten jemand verletzt, man ist stundenlang an der frischen Luft und sorgt für das Fortkommen der Kameraindustrie und die Sicherung von Arbeitsplätzen bei Zoomobjektivproduzenten. Und wenn man Glück hat, kann man nach einer der gottseidank bezogen auf das Gesamtaufkommen extrem seltenen Luftzwischenfälle vielleicht noch ein paar der ordentlich katalogisierten Bilder an die Boulevardpresse verticken. Lassen wir den Helden des Flugfeldrandes also ihren Spaß, ich kann ihn immerhin teilweise nachvollziehen.
Neulich fand ich eher zufällig bei zielloser Rumsurferei ein Video von Airbus Industries. Ja, klar, das ist ein Riesenkonzern, grundsätzlich also eher mit gesunder Skepsis zu betrachten undsoweiter. Sehe ich im gewissen Rahmen auch so (ohne mich in die Sümpfe der Verschwörungsparanoia zu begeben). Aber was da geboten wurde, hat mich doch ziemlich fasziniert: Vom neuen Modell A350 gab es zum Zeitpunkt der Aufnahme Ende September letzten Jahres genau 5 Stück, allesamt Erprobungsmuster ohne komplette Zulassung. Der A350 ist der modernste Sproß der Airbus-Familie, er soll mit Sparsamkeit und wenig Lärm punkten und kann in bestimmten Konfigurationen zumindest theoretisch die Welt nonstop umrunden. Vor allem ist der A350 ein nicht unelegantes Flugzeug, mit einem dynamischen Raubvogelgesicht und schicken Winglets an den Enden der Tragflächen.
Was man an diesem 29. September in und über Toulouse veranstaltete, fasziniert mich – sorry – ziemlich. Wie man in dem gut 6 Minuten langen Dokuvideo zu dieser Aktion sehen kann, starteten die 5 A350 direkt hintereinander zu einem Werbeflug, in deren Verlauf die sanften Riesen sich ganz unverkehrsflugzeugmäßig in verschiedenen Formationen durch den Himmel über Frankreich bewegten, mit durchaus für Flugzeuge dieser Art als spektakulär, zumindest aber als sehr außergewöhnlich zu bezeichnenden Manövern. Geflogen wurden sie dabei von der Riege der Airbus-Testpiloten, allesamt gestandene Flugzeugführer mit extremer Erfahrung, wahrscheinlich keiner unter fünfstelliger Flugstundenzahl, freundlich wirkende Herren mit graumelierten Haarschöpfen mittleren Alters.
Nicht allein die ästhetisch sehr ansprechenden und natürlich perfekt choreografierten, gefilmten und musikunterlegten Flugbilder sind dabei interessant, sondern auch, mit welcher bubenhaften Begeisterung und gleichzeitig großem Eifer und Akribie diese absolut ernsthaften und -zunehmenden Ingenieur-Piloten diese Flugschau planen und schließlich ausführen. Klar geht es um Werbung und darum, vor der Konkurrenz (die mit den brennenden Batterien…) mal so richtig einen auf dicke Hose zu machen. Und natürlich ist das Ganze im Grunde eine exorbitante Verschwendung von Ressourcen jeder Art. Aber es zeigt auch, daß da Menschen mit echter Leidenschaft und Begeisterung am Werke sind. Und trotz aller Sinnfreiheit dieses Unterfangens einfach totale Könner ihres Faches von hoher Disziplin und Präzision.
Davor habe ich einen Heidenrespekt. Wie ein Blick in die PR-Videoabteilung von Airbus zeigt, finden solche Formationsflugevents mit neuen Flugzeugmustern immer mal wieder statt. Man kann dazu stehen wie man will - ich stehe wieder als ganz der Neunjährige aus dem Jahr 1979 mit offenem Mund da und bin seeehr angetan. Der eine oder andere wohlige Schauer ist drin und fast ertappe ich mich dabei, die von den Piloten mit breitem Grinsen gezeigten hochgestreckten Daumen zu erwidern. Lustigerweise finde ich den eigentlichen Werbefilm, der dabei entstanden ist, weit weniger interessant als das „Making Of“. Aber das ist sicher auch eine Frage des persönlichen Geschmackes.