Wo wenig tatterige Alttriebwagen zum Attersee rattern
Einst - nein, neulich im Mai kreuzte mein Weg die Gleise der meterspurigen Attergaubahn zwischen St. Georgen und Attersee am Attersee. Diese liebenswert stottrig-alliterativ klingende Gemeinde ist die Endstation der Attergaubahn vom Vöcklamarkt nach Attersee (und damit auch zum Attersee). Wobei die Gleise bis 1972 noch bis zum Anleger bzw. zu einem Trajektanschluß eines Holzwerkes führten. Heuer (wie der Attergauer sagt) ist schon gut 400m früher Schluß im Bahnhof Attersee, immerhin noch in Sichtweite des Sees.
Hier findet man auch die Remise, die aber anders als der hübsche Bahnhof nicht mehr historisch ist, denn das ursprüngliche Gebäude brannte in den 80ern ab, wobei wunderbarerweise die darin abgestellte Nostalgiegarnitur in letzter Minute der Feuersbrunst entrissen werden konnte. Puh.
Während die Atterseer Burschen drüben auf der anderen Straßenseite den Maibaum aufstellen und schon reichlich erhitzt um die nächste Runde Bier für die nächste Aufstelletappe feilschen, schlendere ich - die üblichen 3 Minuten möglicher Besichtigungszeit nutzend, ein wenig auf dem Bahnhofsgelände einher und bewundere die Ansammlung alter schweizerischer Meterspurfahrzeuge, die - typisch für eidgenössisches Fahrzeugdesign - keinesfalls so alt wirken, wie sie wirklich sind. Tatsächlich sind alle Plandienstfahrzeuge der kleinen Bahn gerade hier versammelt.
Wer würde denken, daß der ET 26 111 schon im Jahre 1951 das Licht der Berge erblickte, seine ebenfalls gerade im Bahnhof ruhenden Zwillingskollegen gar schon im Jahr 1949? Andersherum: Werden die Plastikmonstrositäten, die man derzeit auf Gleise jeder Spurweite zu setzen pflegt, in 63 Jahren dem Auge ebenso schmeicheln wie die alten Schweizer oder es nach wie vor beleidigen, so sie nicht längst der Materialermüdung anheim gefallen sind?
Wie bereits erwähnt, reicht die Zeit nur für ein paar schnelle Schnappschüsse, dann noch ein Blick über den See, wo die "Stadt Vöcklabruck" gerade auf den Anleger von Attersee am Attersee zuschnürt, dekoriert mit dem eher dezent angebrachten berühmten Bild "Der Kuss" von Gustav Klimt, der hier am See von 1900 bis 1916 seine Sommerfrische verbrachte, ein bärtiger Brocken von einem Künstler im Malerkittel, dem man nachsagte, er habe mit jedem seiner weiblichen Modelle eine erotische Beziehung gehabt, was angesichts der dampfenden Kraft seiner in Gold und Ornamenten schwelgenden, ungemein sinnlichen Frauenportraits sicher nicht so ganz ins Land der Legenden gehört.
Vielleicht ist der virile Gustav auch hin und wieder mit der "Lokalbahn Vöcklamarkt-Attersee", wie die Attergaubahn offiziell heißt, gefahren. Denn sie wurde bereits im Jahre 1913 eröffnet und erfreut sich nach wie vor regen Zuspruchs, sodaß meine Chancen, eventuell auch mal die 15,3 Kilometer der Kursbuchstrecke 180 in mehr oder minder vollen Zügen zu genießen, immer noch ganz gut stehen.